Naturmed Nlog - Therapeuten Fachbuchblog

In unserem Kulturkreis wird die thailändische Medizin häufig mit der Thai-Massage gleichgesetzt; wenig bekannt ist, dass dieses südostasiatische Land über ein eigenes, in sich geschlossenes Medizinsystem verfügt. Diese „traditionelle thailändische Medizin“ (TTM) weist zwar Ähnlichkeiten zum Ayurveda und zur chinesischen Medizin auf, ihre theoretischen Grundlagen stellen jedoch ein eigenständiges System dar.

Ursprünge

Die traditionelle thailändische Naturheilkunde hat ihre Wurzeln in medizinischen Lehren aus Indien, China und Arabien, die mit den Händlern aus diesen Regionen während des ersten Jahrtausends nach Thailand kamen. Auch diverse Tai-Völker aus ganz Asien brachten ihr eigenes indigenes Wissen und ihre Vorstellungen in die Mischung der medizinischen Lehren ein. Allerdings wurden all diese Traditionen lange nur mündlich vom Lehrer an den Schüler weitergegeben, historische Aufzeichnungen über die Ausübung von Medizin in Thailand existieren erst seit der Ayutthaya-Periode (1351−1767).

Infolge der vielfältigen Mischung von Völkern und Kulturen weist die thailändische Naturheilkunde von Region zu Region und auch je nach Therapeut erhebliche Unterschiede auf. Heutzutage wird an den thailändischen Hochschulen die Ende des 19. Jahrhunderts auf Anweisung des Königshauses eingeführte standardisierte Medizin gelehrt, die sogenannte traditionelle thailändische Medizin (TTM, Pâet păen taiแพทย์แผนไทย). Als Grundlagenwerk dieser Medizin gilt das 1909 veröffentlichte Wetchasueksa Phaetsatsangkhep(„Das Studium der Medizin“). Neben dieser standardisierten Medizin existieren in Thailand aber auch weitere bedeutende Medizintraditionen, beispielsweise die im Norden des Landes verbreitete „Lanna-Medizin“.

Grundlagen

Innerhalb der Theorien der thailändischen Kräuterheilkunde spielen vier Elemente eine wichtige Rolle: Erde, Wasser, Feuer und Wind. Diese beziehen sich nicht auf materielle Substanzen, sondern auf Qualitäten. So können beispielsweise festen, harten, stabilen und schweren Substanzen die Qualitäten des Elementes Erde zugeschrieben werden. Die Bestandteile des menschlichen Körpers werden den vier Elementen zugeordnet − die harten Knochen beispielsweise also dem Element Erde. Das thailändische Konzept der Elemente kann nur in Zusammenhang mit der thailändischen Medizin verstanden werden und darf nicht mit den Medizintheorien anderer Kulturen vermischt werden, auch wenn hierbei ähnliche Begriffe verwendet werden. Dies gilt auch und besonders für die chinesische Medizin, bei der anstelle des Begriffs Element der Begriff Wandlungsphase als Ausdruck einer laufenden Dynamik gebraucht werden sollte.

Wenn die Elemente im Sinne der TTM sich in einem gesunden, also physiologischen Zustand befinden, spricht man von „Ausgeglichenheit“. Sind sie „erregt“, „geschwächt“, „verzerrt“, „gebrochen“ oder „verschwunden“, liegt eine Störung vor, in der Regel also eine Erkrankung. Solch ein Ungleichgewicht kann auf vielen Faktoren beruhen; so spielt die Ernährung für die Gesundheit eine wichtige Rolle. Zum Beispiel wird der häufige Verzehr von kalter, feuchter Nahrung wie etwa Eiscreme und von kalten Getränken das Element Wasser erregen und das Element Feuer schwächen. Dies wiederum kann verschiedene gesundheitliche Störungen hervorrufen.

Eine weitere Besonderheit der TTM stellt die Zuordnung von Kräutern und Nahrungsmitteln bestimmten Geschmacksrichtungen dar, wobei − im Unterschied zur TCM − verschiedene Geschmacksrichtungen-Systeme angewendet werden. Je nachdem, ob die Mittel innerlich oder äußerlich eingesetzt und oder mit anderen Mitteln kombiniert werden, umfassen diese drei, vier, sechs, acht oder neun Geschmacksrichtungen.

Mit Hilfe von diagnostischen Verfahren wie Puls- und Zungendiagnose sowie Beobachten und Befragen des Patienten können erfahrene Therapeuten Ungleichgewichte der Elemente erkennen und daran anschließend die passende Therapie einleiten. Therapeuten der thailändischen Medizin steht neben den in der TCM bekannten Methoden zusätzlich noch das diagnostische Schröpfen und Kratzen zur Verfügung − die dabei an der Haut erscheinenden Farben lassen sich zur Diagnose nutzen.

Therapiemöglichkeiten

Die Behandlung nach der TTM fußt auf fünf Säulen: innere/Kräuter-Medizin (Phytotherapie und Ernährung), äußere Therapien/orthopädische Medizin (u.a. Massage und Kräuterstempel), Wahrsagen/Orakelwissenschaft, Geistermedizin und buddhistische Praktiken, wobei die Lebenspflege eine wichtige Rolle spielt.

Ernährung

Ein thailändischer Phytotherapeut wird zunächst eine Ernährungsumstellung empfehlen, bevor er zu den wirksameren Naturheilmitteln greift.

Die unterschiedlichen Nahrungsmittel können sechs Geschmacksrichtungen zugeordnet werden: bitter, würzig/scharf, adstringierend, salzig, sauer bzw. süß. Idealerweise enthält eine ausgeglichene Mahlzeit alle sechs Geschmacksrichtungen. Durch Kombinieren der richtigen Geschmacksrichtungen in der richtigen Zusammensetzung können mit einer Mahlzeit die Elemente ausgeglichen und Störungen behandelt werden.

Daneben bietet die TTM auch diätetische Empfehlungen für Gesundheit und Langlebigkeit, die an verschiedene Faktoren geknüpft sind. So spielen das Alter der Person sowie die Jahres- und Tageszeit eine Rolle. So empfehlen sich für Kinder bis zu 16 Jahren Mittel wie z.B. Ananas oder Milch, während Erwachsene ab 50 Jahren eher Papaya oder Sesam verzehren sollten.

Viele Gerichte aus der thailändischen Küche haben eine therapeutische Wirkung; ein besonders gutes Beispiel ist die Tom-Yum-Suppe, die bei Verdauungsproblemen, Verschleimung und Erkältungen ohne Fieber empfohlen wird.

Innere Therapien

In der thailändischen Medizin werden Kräuter für die innere Behandlung zu Aufgüssen, Dekokten, Pulvern oder Pillen verarbeitet. Dafür werden Kräuter und andere Naturheilmittel wie Früchte und Mineralien miteinander kombiniert − entweder zu einer individuellen, von einem TTM-Therapeuten zusammengestellten Verordnung oder zu einer traditionellen Standardrezeptur, die gegen bestimmte Beschwerden wie z.B. Krämpfe während der Menstruation helfen soll.

Zu den in der TTM innerlich eingesetzten Naturheilmitteln gehören einige Kräuter, die auch aus der TCM bekannt sind, so etwa Chrysanthemenblüten oder Engelwurz. Zumeist werden aber Mittel verwendet, die auf Thailand bzw. Südasien beschränkt sind, so etwa verschiedene Teile des Durianbaumes, die gegen Gelbsucht, Fieber und Parasiten eingesetzt werden. Die Früchte und Blätter der Kaffir-Limette gelten als verdauungsanregend, menstruationsregulierend, blutreinigend und antioxidativ. Kardamom beruhigt den Verdauungstrakt und wirkt hustenstillend, so dass er bei Erkältungen, Bronchitis, Asthma und Laryngitis zum Einsatz kommt. Da viele dieser Mittel inzwischen auch in unseren Breitengraden in Asien-Shops erhältlich sind, lassen sie sich problemlos in die tägliche Ernährung integrieren.

Äußere Anwendung von Kräutern

Naturheilmittel werden in Thailand aber nicht nur innerlich in Form von Arznei- oder Nahrungsmitteln eingesetzt, sondern auch in Salben, Einreibungen, Umschlägen, Inhalationen, in der bei uns wenig bekannten thailändischen Sauna, im Dampfbad und im Rahmen der Thai-Massage für Kräuterstempel.

Aus Sicht der traditionellen thailändischen Anatomie weist der menschliche Körper fünf Körperschichten auf − die Haut, das Gewebe, die sogenannten sên(fassbare Bahnen am Körper), die Knochen und die Organe. Je nach ihrer Geschmacksrichtung können Kräuter und andere Naturheilmittel in unterschiedliche Körperschichten vordringen. So werden jeweils nach Bedarf bestimmte Naturheilmittel kombiniert, um bestimmte Wirkungen in verschiedenen Körperschichten zu erzielen und Störungen zu behandeln. So kann beispielsweise aus leicht erhältlichen Zutaten, darunter Ingwer und Zitronengras, eine wärmende Kompresse hergestellt werden, die bei Schmerzen und Gewebeverhärtungen eine sehr gute Wirkung hat. Henna wird als lokales Antiseptikum genutzt, und der Lange Pfeffer wirkt schmerzlindernd.

Ausführliche Informationen in:

Thailändische Naturheilkunde − Traditionelle Rezepte für Gesundheit und Harmonie

Nephyr Jacobsen, C. Pierce Salguero

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