Bereits seit Jahrtausenden spielt das Ohr in der alternativen Medizin eine bedeutende Rolle. Besonders die Traditionelle Chinesische Medizin, kurz TCM, sowie die Aurikulotherapie, eine spezielle Form der Ohrakupunktur, nutzen das Ohr als wichtige Reflexzone zur Behandlung verschiedener Beschwerden.
Die Idee dahinter ist faszinierend: Wie auf einer Landkarte sind gewisse Punkte auf der Ohrmuschel zu bestimmten Organen und Körperregionen zugeordnet. Diese Punkte können durch Akupunkturnadeln oder durch Akupressur stimuliert werden, um Heilungsprozesse im Körper anzustoßen oder das allgemeine Wohlbefinden zu fördern.
Wie wirkt Akupunktur?
Die Wirkung der Akupunktur ist in der Traditionellen Chinesischen Medizin tief verwurzelt und beruht auf dem Konzept des Qi, der Lebensenergie, die durch den Körper fließt. Die Akupunktur zielt darauf ab, Blockaden in diesem Energiesystem zu lösen und den Fluss des Qi wieder zu harmonisieren. Dies geschieht durch das gezielte Setzen von Nadeln an bestimmten Punkten des Körpers, die mit Energiebahnen, den sogenannten Meridianen oder Leitbahnen, verbunden sind.
Die Ohrakupunktur, eine spezielle Form der Akupunktur, nutzt dabei das Ohr als Mikrosystem, das den gesamten Körper widerspiegelt. Jeder Punkt auf der Ohrmuschel steht dabei in Verbindung zu Organen oder Körperfunktionen und kann gezielt stimuliert werden, um Beschwerden zu lindern oder das Wohlbefinden zu fördern.
Die Wirkung der Akupunktur erstreckt sich über verschiedene Bereiche der Gesundheit. Studien und Erfahrungen zeigen, dass sie eine Vielzahl von Beschwerden positiv beeinflussen kann, darunter chronische Schmerzen, Migräne, Schlafstörungen und Stress. Ein zentraler Wirkmechanismus ist die Freisetzung von Endorphinen − den körpereigenen Schmerzmitteln − die das Wohlbefinden steigern und Schmerzen lindern. Zudem kann Akupunktur die Durchblutung verbessern und Entzündungen reduzieren.
In der Ohrakupunktur spielt die gezielte Bearbeitung bestimmter Punkte, wie der Akupunkturpunkt Shen Men, eine wichtige Rolle. Die Stimulation dieses Punktes wird traditionell zur Beruhigung und Stressreduktion verwendet und wirkt unterstützend bei emotionalen Belastungen.
Die Forschung zur Akupunktur hat in den letzten Jahrzehnten noch stärker an Bedeutung gewonnen. Zahlreiche Studien haben ihre Wirksamkeit, insbesondere im Rahmen der Schmerztherapie, belegt. Auch wenn die genauen biologischen Mechanismen noch nicht vollständig belegt sind, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Akupunktur die Aktivität des zentralen Nervensystems beeinflusst, was wiederum zu einer Verbesserung der jeweiligen Körperfunktionen führt.
Daith-Piercing gegen Migräne?
Im Laufe der Zeit haben sich auch die traditionellen Heilmethoden stetig weiterentwickelt und damit ihren Weg in moderne Praktiken gefunden. Piercings, die heute vorrangig aus ästhetischen Gründen getragen werden, lassen sich so interessanterweise durchaus mit traditionellen Heilmethoden in Zusammenhang bringen.
Ein Beispiel, das in den letzten Jahren an Popularität gewonnen hat, ist das sogenannte Daith-Piercing. Dieses Piercing wird durch die Knorpelfalte des Ohrs gestochen, wo sich laut der Akupunkturlehre ein wichtiger Akupunkturpunkt befindet, der mit der Linderung von Migräne und Kopfschmerzen in Verbindung gebracht wird und viele Träger dieses Piercings berichten bereits über die positiven Effekte.
Piercings stimulieren Akupunkturpunkte im Ohr
Die Verbindung von traditionellen Praktiken und modernen Piercingtrends lässt sich auch bei anderen Akupunkturpunkten des Ohrs beobachten. Akupunkteure und Alternativmediziner sehen in der Stimulation dieser Punkte durchaus potenzielle Vorteile, die über die modische Optik weit hinausgehen.
So könnten Ohrpiercings theoretisch eine ähnliche Wirkungsweise erreichen, die auch bei Akupunkturbehandlungen genutzt werden. In diesem Kontext ist es allerdings wichtig, sich bewusst zu machen, dass der Einfluss von Piercings auf das Wohlbefinden individuell sehr unterschiedlich sein kann.
Die Wahl des Piercing Schmuck für’s Ohr spielt dabei ebenfalls eine Rolle. Hier sollte unbedingt auf eine möglichst hohe Qualität geachtet werden, um mögliche Reizungen oder Komplikationen zu vermeiden.
Die Auswirkungen auf den Shen-Men-Punkt
Ein weiteres Beispiel für die Synergie zwischen Piercings und der traditionellen Akupunktur ist das Shen-Men-Piercing. Der Shen-Men-Punkt, der auch als „Tor des Himmels“ bekannt ist, stellt einen bedeutenden Akupunkturpunkt dar, der oft bei Behandlungen zur Stressbewältigung und Beruhigung bearbeitet wird. Dieser Punkt befindet sich in der Mitte des oberen Teils des Ohrs und wird in der TCM oft wegen seiner beruhigenden und stressabbauenden Eigenschaften angewendet.
Ein Piercing an dieser Stelle könnte also theoretisch eine ständige Stimulation leisten, die manchen Menschen hilft, zu mehr innerem Frieden und Entspannung zu finden. Doch auch hier gilt: Was bei einem Menschen wirkt, kann bei einem anderen weniger Effekte zeigen. Der Körper reagiert immer individuell und die Erfahrungen mit solchen Piercings fallen dementsprechend subjektiv aus.
Piercings sind kein Ersatz für professionelle Akupunktur
Wichtig zu verstehen ist, dass Piercings nicht als Ersatz für eine professionelle Akupunkturbehandlung angesehen werden sollten. Während eine Akupunkturnadel präzise an einem Punkt eingesetzt und nach Bedarf manipuliert wird, bleibt ein Piercing stets unverändert.
Die dauerhafte Stimulation eines Punktes kann daher durchaus auch unerwünschte Nebenwirkungen zeigen, wie etwa eine Überreizung des entsprechenden Bereichs.
Daher ein Tipp: Vor dem Stechen eines Piercings an einem Akupunkturpunkt sollte deshalb stets eine Rücksprache mit einem erfahrenen Akupunkteur oder Alternativmediziner erfolgen.
Spezialist für Fachbücher aus Akupunktur, Traditioneller Chinesischer Medizin, Qigong, Naturheilverfahren, Homöopathie und Physiotherapie. Jährlich auf vielen, wichtigen Kongressen wie der TCM-Kongress in Rothenburg, dem ASA-Kongress und dem Tao-Kongress in Österreich vertreten. Seit Jahren Verlagsleiter eines Verlages für TCM, Akupunktur und Homöopathie.