Charakterisierung der pflanzlichen Wirkstoffe PADMA 28 und PADMA CIRCOSAN aus Sicht der TCM
Die in der TCM übliche Vorgangsweise, Kaiserkräuter, Ministerkräuter, Polizeikräuter sowie Botenkräuter zu definieren, lässt sich auf Arzneimittelmischungen der Tibetischen Medizin nicht direkt übertragen, da die Mischungen der Tibetischen Medizin in der Regel aus einer größeren Anzahl von Einzelkräutern bestehen als klassische TCM-Rezepturen.
Möglicherweise lässt sich jedoch ein „Kaiserkraut“ definieren: Hierbei handelt es sich um
D-Camphora (Kristallisat des Campherbaumöls), mit der tibetischen Bezeichnung Ga Bur. Der namensgebende Bestandteil der Rezeptur, Campher ist thermisch kühl und besitzt einen bitteren, scharfen, adstringierenden Geschmack. Anwendungsgebiete sind hauptsächlich Hitze im Bereich der Lunge und des Herzens sowie Kurzatmigkeit. Darüber hinaus wird Campher aufgrund seiner schweisstreibenden Wirkung eingesetzt (tshul khrim skal bzang 2008: 51).
Die Wirkungen der weiteren Bestandteile der Rezeptur:
Kaempferia galanga L. Rhizoma (Kaempferia-galanga-Rhizom) ist ein scharfer, bitterer, adstringierender und thermisch warmer Wurzelstock, der eingesetzt wird, um das Milz-Qi und -Yang zu tonisieren sowie Nahrungsmittel-Stagnationen zu beseitigen (tshul khrim skal bzang 2008: 84).
Bei Saussurea costus (FALC.) LIPSCHITZ, radix (Indische Costuswurzel) handelt es sich um eine scharfe, bittere, thermisch warme Wurzel, welche hauptsächlich den Organen Gallenblase, Dickdarm, Milz sowie Magen zugeordnet wird. Sie wird hauptsächlich verwendet, um das Qi zu bewegen, Schmerzen zu vermindern, Nahrungsmittel-Stagnationen zu beseitigen sowie das Milz-Qi zu tonisieren.
Cetraria islandica (L.) ACHARIUS s.l., thallus (Isländisches Moos) ist süß, bitter, thermisch warm und wird den Organen Lunge sowie Magen zugeordnet. Zu den Funktionen zählen hauptsächlich das Tonisieren von Lungen-Qi und -Yin. Darüber hinaus wirkt diese Pflanze als Expektorans sowie als Mittel gegen eine Umkehrung des Magen-Qi.
Antelaea azadirachta (L.) ADELBERT, fructus (Nimbaumfrucht) besitzt einen scharfen, bitteren Geschmack und ist thermisch warm. Hauptsächliche Anwendungsgebiete sind das Ausleiten von Feuchtigkeit sowie die Regulation der Qi-Zirkulation.
Bei Elettaria cardamomum (ROXB.) MATON var. minuscula BURK., fructus (Kardamomenfrucht) handelt es sich um scharfe, aromatische, thermisch warme Früchte, mit den Organzuordnungen Milz, Magen, Lunge und Dünndarm (Bensky 1993: 217). Diese werden eingesetzt, um das Milz-Yang zu tonisieren, Feuchte-Kälte entgegenzuwirken sowie die Trennungsfunktion des Dünndarmes anzuregen. Hiermit verhindert dieses Arzneimittel eine Verletzung des Qi und trägt dazu bei, dass die gesamte Rezeptur über einen längeren Zeitraum hindurch eingenommen werden kann.
Terminalia chebula RETZ., fructus (Myrobalanenfrucht) besitzt in der Tibetischen Medizin einen großen Stellenwert. Selbst der Medizin-Buddha hält eine derartige Pflanze in seiner rechten Hand. Da diese Frucht außer dem salzigen Geschmack sämtliche Geschmacksrichtungen aufweist, kann sie laut traditioneller Sichtweise so gut wie jedes Krankheitsbild behandeln. Thermisch sind die Myrobalanenfrüchte warm (tshul khrim skal bzang 2008: 418).
Pterocarpus santalinus L., lignum (Rotes Sandelholz) ist vom Geschmack her fad, thermisch kühl und wird eingesetzt, um die Diurese anzuregen, das Blut zu kühlen sowie Schwellungen zu reduzieren (tshul khrim skal bzang 2008: 277). Darüber hinaus fördert es die Wundheilung (Men-Tsee-Khang 2011: 245).
Pimenta dioica (L.) MERR, fructus (Nelkenpfeffer) ist scharf, thermisch heiß und weist einen Organbezug zu Milz, Magen sowie Niere auf. Diese Pflanze wird eingesetzt, um das Milz-Yang zu tonisieren sowie Kälte zu vertreiben. Nelkenpfeffer wirkt somit aufgrund der thermisch heißen Wirkung den thermisch kühlen Kräutern als sogenanntes Botschaftskraut entgegen. Darüber hinaus nährt sie das Nieren-Yang, welches ja auch die Basis für die Produktion von Wei-Qi darstellt. Nelkenpfeffer, der zuvor beschriebenen Kardamom, die noch folgenden drei Pflanzen Marmelosfrüchte, Gartenlattich sowie Gewürznelken sind alle thermisch warm oder gar heiß und bewirken, dass die gesamte Rezeptur thermisch als neutral bzw. lediglich leicht kühl anzusehen ist.
Bei der nächsten Pflanze, Aegle marmelos (L.) CORREA, fructus (Marmelosfrucht, bengalische Quitte) handelt es sich um bittere, thermisch warme Früchte, die einerseits eingesetzt werden, um Durchfall zu lindern, sowie andererseits die Wundheilung zu unterstützen (tshul khrim skal bzang 2008: 223). Die Kombination eines bitteren, thermisch warmen Arzneimittels ist außergewöhnlich. Sie eignet sich hervorragend, das Nieren-Yang zu tonisieren und somit Feuchtigkeit auszuleiten, ohne das Yin zu verletzen.
Calcii sulfas hemihydricus (Calciumsulfat) ist salzig, thermisch kühl, und wird zum Ausleiten von Hitze sowie bei Durchfall eingesetzt.
Aquilegia vulgaris L., herba (Akeleikraut) ist bitter, scharf, thermisch kühl und leitet speziell Feuchte-Hitze aus dem Bereich von Leber und Gallenblase.
Glycyrrhiza glabra L., radix (Süßholzwurzel) kommt in vielen bekannten TCM-Rezepturen vor. Diese süße, thermisch neutrale Wurzel soll neben dem Bezug zur Milz zu sämtlichen zwölf TCM-Organen eine Organzuordnung aufweisen. Einerseits wird Süßholzwurzel eingesetzt, um das Milz-Qi zu tonisieren, andererseits unterstützt diese Wurzel die Resorption der Bestandteile einer Rezeptur (Bensky 1993: 323). Da diese Wurzel darüber hinaus die oft durchaus unterschiedlichen Wirkungen der diversen Kräuter einer Rezeptur als Polizeikraut harmonisiert, kommt Süßholzwurzel in zahlreichen traditionellen Rezepturen vor. Darüber hinaus verleiht diese Wurzel der gesamten Mischung einen angenehmen, süßen Geschmack. Rezepturen, die über einen längeren Zeitraum hindurch eingenommen werden, beinhalten aus den soeben angeführten Gründen oft Süßholzwurzel.
Plantago lanceolata L. s.l., folium (Spitzwegerichblätter) ist süß, thermisch kühl und leitet Feuchte-Hitze bzw. Hitze aus, ohne jedoch das Yin zu verletzen (Ploberger 2013a: 389), dies im Gegensatz zu bitteren, thermisch kühlen Kräuter.
Bei Polygonum aviculare L. s.l., herba (Vogelknöterichkraut) handelt es sich um ein Yin-Tonikum, welches sowohl den Organen Niere, Lunge, aber auch Milz bzw. Magen zugeordnet wird. Dieses thermisch kühle, vom Geschmack her süße und leicht salzige Kraut wirkt nicht befeuchtend und kann somit längerfristig zum Tonisieren des Yin verwendet werden. In dieser Rezeptur verhindert Vogelknöterich eine Verletzung von Blut und Yin durch die bewegenden bzw. ausleitenden Kräuter.
Potentilla aurea L., herba (Goldfingerkraut) ist thermisch kühl, weist einen bitteren und süßen Geschmack auf. Einerseits wird es zur Behandlung von Durchfall eingesetzt, andererseits unterstützt es die Wundheilung und kann auch als allgemeines Stärkungsmittel eingesetzt werden.
Das nächste Kraut, Syzygium aromaticum (L.) MERILL et L. M. PERRY, flos (Gewürznelke), weist eine von den bisher betrachteten Kräutern vollkommen unterschiedliche Wirkung auf. Der Geschmack ist scharf, die thermische Wirkung warm (Bensky 1993: 305). Diese Kombination eignet sich zum Tonisieren des Nieren-Yang sowie zum Vertreiben von Magen-Kälte. Tibetische Medikamente enthalten oft Einzelkräuter mit stark divergierenden Wirkungen. Auf diese Art und Weise werden Nebenwirkungen moduliert und die längere Einnahme eines Medikamentes ermöglicht.
Bei Sida cordifolia L., herba (Sidakraut, Sandmalve) handelt es sich um eine thermisch kühle Pflanze, mit leicht bitterem sowie scharfem Geschmack, die eingesetzt wird, um Feuchte-Hitze sowie Hitze auszuleiten.
Valeriana officinalis L.s.l., radix (Baldrianwurzel) ist eine süße, bittere, scharfe, thermisch neutral Pflanze, welche eingesetzt werden kann, um innerem Wind entgegenzuwirken, den Geist (Shen) zu beruhigen, durch Yin-Mangel bedingte Hitze auszuleiten sowie Qi-Stagnationen im Bereich des Mittleren Erwärmers zu behandeln.
Lactuca sativa var. capitata L., folium (Gartenlattich) ist süß, bitter und thermisch warm. Hierbei handelt es sich um ein Kraut, welches das Lungen-Qi und -Yin nähren kann, gleichzeitig aber auch Schleim-Stagnationen ausleitet. Darüber hinaus kann Gartenlattich auf milde Art und Weise Toxischer-Hitze entgegenwirken. Kräuter, die das Yin nähren, ohne zu befeuchten, sind bei zahlreichen chronischen Krankheitsbildern einzusetzen, ohne dass man Nebenwirkungen befürchten müsste. Ähnlich wirkt die letzte in beiden Mischungen enthaltene Pflanze:
Calendula officinalis L., flos cum calyce (Ringelblumenblütenköpfchen). Mit leicht bitterem, süßem sowie salzigem Geschmack versehen kann diese thermisch neutrale Pflanze eingesetzt werden, um Toxische-Hitze auszuleiten und mild Blut-Stagnationen entgegenzuwirken, ohne das Yin zu verletzen (Ploberger 2013a: 333). Hiermit können Ringelblumenblütenköpfchen bei zahlreichen Wundheilungsstörungen sowie Durchblutungsproblematiken ohne Angst vor Nebenwirkungen eingesetzt werden. Dieses Kraut stellt wieder eine Ausnahme unter den bitteren Kräutern dar. Ringelblumenblütenköpfchen sind im Unterschied zu den meisten anderen bitteren Kräutern nicht kalt bzw. kühl, sondern neutral. Aufgrund des salzigen Geschmackes können sogar auf milde Art und Weise Schleim-Stagnationen ausgeleitet werden.
Abschliessend sei die lediglich in dem Präparat PADMA 28 vorkommende Pflanze, nämlich Aconitus napellum L., tuberis (Eisenhutknollen, 1 mg pro Kapsel, enspr. 0.25 Gew.-% der Wirkstoffmischung ) beschrieben: aus Sicht der TCM ist der Eisenhutknollen vom Geschmack her scharf, thermisch heiß und wird den Organen Herz, Niere sowie Milz zugeordnet. Er wird eingesetzt, um verschwindendes Yang zu retten, das Feuer zu wärmen, Kälte zu vertreiben, im Bereich der Meridiane zu wärmen sowie Schmerzen zu lindern.
Fazit
Aus Sicht der TCM handelt es sich bei PADMA 28 und PADMA CIRCOSAN um thermisch neutrale bzw. leicht kühle, vom Geschmack her scharfe, bittere, leicht aromatische Mischungen, welche eingesetzt werden können, um auf milde Art und Weise Qi- und Blut-Stagnationen auszuleiten, ohne das Yin zu verletzen. Darüber hinaus stärken sie das Milz-Qi und -Yang.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei der Firma PADMA AG für das großzügige Zurverfügungstellen der Einzelpflanzen sowie der Mischungen für die organoleptischen Proben bedanken, welche ich persönlich vornehmen durfte. Mit Ausnahme von Aconiti tuberis pulvis wurden sämtliche pflanzlichen und mineralischen Wirkstoffe von mir verkostet.
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Hier zum ersten Teil des Beitrags >>naturmed, Eine Rezeptur 1/2
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Autor
Dr. med. Florian Ploberger, B.Ac., MA
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Dr. med. Florian Ploberger, B.Ac., MA, TCM-Arzt, Tibetologe, Fachbuchautor. Internationale universitäre und interdisziplinäre Lehrtätigkeit und zahlreiche Publikationen in den Themenbereichen Tibetische Medizin und TCM. Präsident der Österreichischen Ausbildungsgesellschaft für Traditionelle Chinesische Medizin (ÖAGTCM).
Mehrere Bücher veröffentlicht. (Schwerpunkte: Westliche Kräuter aus Sicht der TCM sowie Tibetische Medizin). Von der Direktion des Men-Tsee-Khang (Institut für Tibetische Medizin und Astrologie in Dharamsala, Nordindien) mit der Übersetzung der ersten beiden und des letzten Teils des bedeutendsten Werkes der Tibetischen Medizin (rgyud bzhi) beauftragt. Weitere Informationen finden Sie unter www.florianploberger.com