Interview mit Prof. Dr. med. Dr. hc. Joachim Grifka, em. Direktor an der Orthopädischen Universitätsklinik in Regensburg, zu seinem neuen Rücken-Ratgeber
Hr. Dr. Grifka: Sie waren mehr als zwei Jahrzehnte der Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik Regensburg und haben immer wieder darauf hingewiesen, dass zu viele Rückenoperationen durchgeführt werden. Schlägt sich das in Ihrem Buch nieder?
Ich habe mich während meines gesamten Berufslebens für die konservative Behandlung eingesetzt und bin deswegen auch Facharzt für Physikalische Therapie und Rehabilitation geworden und habe auch die Zusatzbezeichnungen Schmerztherapie und Sportmedizin. Damit schöpfe ich aus dem gesamten Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten, operativ wie konservativ. In den letzten Jahren hat die operative Versorgung von Wirbelsäulenbeschwerden in Deutschland Überhand genommen. Ich war schon immer ein Verfechter der nicht-operativen Behandlung. Bei Rückenerkrankungen gibt es nur wenige Ausnahmen, bei denen schnell operiert werden muss. In über 80 % der Fälle von Patienten, denen zu einer Operation geraten wurde und die zur Zweitmeinungssprechstunde und Behandlung zu mir gekommen sind und noch kommen, konnte und kann ich die Beschwerden erfolgreich konservativ behandeln.
Wie können Betroffene durch Ihr Buch von Ihrem Wissen profitieren?
Ich schreibe meine Patientenratgeber so, dass man sie als medizinischer Laie gut verstehen kann. Alle Fragen der Sprechstunde, die ich über die Jahre sehr intensiv betrieben habe, werden mit diesem Buch beantwortet. Es ist so gestaltet, dass man mit den Beschreibungen und vielen Bildern gut verstehen kann, warum wo Probleme an der Wirbelsäule auftreten und wie man sich am besten verhält, um Beschwerden zu bekämpfen und zu vermeiden und was man selbst präventiv tun muss. So hat dieses Buch Kapitel zur Anatomie und Funktion und genauso zu den typischen Beschwerden und Erkrankungen. Das muss man verstehen, damit man auch begreift, warum welche Verhaltensmaßnahmen wichtig sind.
An wen richtet sich Ihr Buch?
Natürlich an jeden, der Rückenschmerzen hat. Der Ansatz dieses Buches ist aber darüber hinaus noch weiter gefasst. Es geht auch darum, Rückenerkrankungen vorzubeugen. Durch vermehrtes Sitzen, wie es in der Arbeit, aber auch zu Hause Standard ist, entstehen gravierende Überlastungen. Hier gibt es einfache Regeln, die zu beachten sind, um etwas gegen Nackenverspannungen und Kreuzschmerzen beim Sitzen zu tun.
Ganz besonders liegt mir daran, dass Kinder das rückengerechte Verhalten lernen. Dazu gibt es spielerische Übungen und abwechslungsreiche Verhaltensmaßnahmen, z.B beim Sitzen: Lümmeln ist gesund!
Das Buch kann auch als Ergänzung zur Physiotherapie verwendet werden, um die Übungen zu Hause genau nachzumachen.
Auch für die Physiotherapie selbst gibt es Empfehlungen. Durch die eigene Erfahrung habe ich Stunden zusammengestellt, wie die Inhalte der Rückenschulregeln gut umgesetzt werden und auch für ein Gruppentraining gut genutzt werden können.
Welches sind die häufigsten Rückenprobleme, mit denen Sie in der Praxis konfrontiert werden, und wie können Betroffene am besten damit umgehen?
Das ist der Spiegel der Rückenerkrankungen in der Bevölkerung. Bandscheibenerkrankungen sind bei 25 bis 55-Jährigen häufig. Danach treten zunehmend Verschleisserkrankungen, wie Einengungen des Wirbelkanals, Degenerationen der kleinen Wirbelgelenke und Irritationen der Kreuzdarmbeingelenke auf.
Bei der Halswirbelsäule sind es v.a. Verspannungen, Kopfschmerzen, Mausarm und Bandscheibenveränderungen durch anhaltendes Sitzen und Bildschirmarbeit.
Es gibt zahlreiche Ratgeber zum Thema Rücken. Können Sie abschließend sagen, wodurch sich Ihr Ratgeber v.a. von anderen unterscheidet?
Beim Text empfehle ich, meinen Ratgeber einmal anzulesen. Sie werden sehen, dass die Sprache kein medizinisches Fachvokabular enthält und leicht verständlich ist. Bei den Übungen bin ich sehr dankbar, dass Frau Anne Toffel, die ebenso Spitzensportler wie auch Rückenpatienten als Physiotherapeutin betreut, Ihr Wissen zusätzlich eingebracht hat. Beim Kinderkapitel hat Frau Silvia Dullien, Dipl. Sportwissenschaftlerin, zusätzlich ihre Expertise eingebracht.
Das Buch behandelt dezidiert die Sitzbelastung und den Bildschirmarbeitsplatz und schließlich ist ein ganz großes Plus, dass die Übungen mit Videos demonstriert werden, sodass man ganz genaue Anweisungen bekommt, wie die Übungen gemacht werden sollen. Es handelt es ausnahmslos um Übungen, die unproblematisch und hocheffektiv für Rückenpatienten in Eigenregie angewendet werden können. Wer Rückenbeschwerden hat kann und muss selbst etwas dagegen tun.
Ratgeber Rücken
Spezialist für Fachbücher aus Akupunktur, Traditioneller Chinesischer Medizin, Qigong, Naturheilverfahren, Homöopathie und Physiotherapie. Jährlich auf vielen, wichtigen Kongressen wie der TCM-Kongress in Rothenburg, dem ASA-Kongress und dem Tao-Kongress in Österreich vertreten. Seit Jahren Verlagsleiter eines Verlages für TCM, Akupunktur und Homöopathie.