Im Anschluss an eine Operation mit Vollnarkose ist das Ordnungsgefüge des Körpers abhanden gekommen
Fallbeschreibung von Birgit Baur-Müller
Immer wieder berichten PatientInnen nach Vollnarkosen davon, eine Weile nach dem Eingriff an psychovegetativen Beschwerden zu leiden. Zum Teil gibt es richtig depressive Phasen.
Der Fall Vollnarkose
Im folgenden Fall kam es im Anschluss an eine laparoskopisch assisierte supravaginale Hysterektomie (mit Verbleiben der Zervix) mit vorderer und hinterer Plastik (bei Cysto-Rektocele) zu massiven Beschwerden im Bauchbereich. Nach Entlassung aus der stationären Behandlung hat es mittig unter dem Rippenbogen massiv zum Stechen angefangen. Daraufhin wurde sie vom Hausarzt an die Notaufnahme verwiesen wurde. Die Differentialdiagnosen lauteten Gastritis oder Verwachsungen, eine weitere Laparotomie wurde sogar zwecks Adhäsiolyse diskutiert. Die Beschwerden waren nicht konstant vorhanden (mal 2 Tage gar keine und dann wieder sehr schlimm). Die Patientin beschrieb ein „Gefühl, ich habe einen Knödel im Bauch und der ist aus Glasscherben, der bewegt sich und sticht ein“. Auch beim Stuhlgang bestanden weiterhin Beschwerden. Die Patientin ist bereits seit 2 Jahren in der Praxis bekannt. Sie leidet immer wieder unter vegetativen Beschwerden.
Therapie und Verlauf:
Ich behandle die Patientin mit Akupunktur. Hier arbeite ich mit einem Punkte-Konzept, welches eine allgemeine Tiefenentspannung ermöglicht und dabei hilft, die Wahrnehmung auf den Körper zu konzentrieren. Mir geht es darum, dass sich der Körper aus dieser Bewusstseinslage heraus selbständig den Bereichen widmet, wo „Unordnung“ herrscht und die Homöostase wiederhergestellt werden muss. Dabei wird jeweils 1 Punkt auf einem Meridian gestochen. Dies geschieht diagonal auf der anderen Seite jeweils das entsprechende Meridianpaar, sowie der Yang-, bzw. Yin-Partner z.B. Lu7 rechts, Mi6 links, Ma36 rechts und Di4 links, Pe6 links, Le3 rechts, 3E5 rechts und Gb34 links, Hz7 links, Ni3 rechts, Dü3 rechts, Ausnahme Ni6 links, außerdem Du20, Yin Tang, TaiYang, Mi3 und 4, sowie Ni1 mit einem Heilstein (siehe Heilsteinakupunktur in „Qi-Zeitschrift für Chinesische Medizin 1/15). Ergänzt werden die Punkte durch weitere Punkte am Rücken und Bauch, bzw. Extremitäten je nach Diagnose.
Die Chinesische Diagnose in diesem Fall würde lauten:
Qi-und Blutstase im Ober-und Unterbauch (als Folge der Laparoskopie auch Eindringen von Kälte).
Ich befrage die PatientInnen nach der Behandlung immer genau, was sie gespürt haben. Auch bin ich während der Behandlung in der Regel anwesend, um auf Veränderungen akut reagieren zu können. Die Patientin beschreibt folgende Empfindung: „Am Anfang hat es sich angefühlt, als würde ich nach rechts kippen. Dann habe ich eine Linie gespürt vom Körper zum Hals hoch. Wie eine warme Säule. Es hat einen „Knödel“ den Hals hinauf gedrückt. Dann im Oberbauch ein ganz helles Licht wie von innen heraus leuchtend gespürt und gesehen (war angenehm) – als ob sich am Darm Luft durch bewegt.
Als sie zur zweiten Behandlung eine Woche später kommt, berichtet sie, am Tag der Behandlung keinerlei Beschwerden gehabt zu haben. Danach wurden die Beschwerden leichter und seit 3 Tagen hat sie keine Bauchschmerzen mehr. Allerdings besteht jetzt seit einigen Tagen extremer Schwindel.
Zum obigen Konzept füge ich Gb20 und Gb39 hinzu.
Sie beschreibt folgende Wirkung der Akupunktur:
Zuerst habe sie gar nichts gespürt. Dann wurde der Kopf für einen Moment ganz hell und leicht. Danach stellte sich „Herzschmerz“ ein und die Arme fühlten sich an, als würden sie waagrecht vom Körper abstehen. Es war ein Gefühl, als wenn man die Hand nicht mehr bewegen kann.
Diese Behandlung liegt 2 Monate zurück, seitdem hat sich die Patientin mit keinen Beschwerden gemeldet.
Fazit:
Oft ist der Organismus nach ausgedehnten Eingriffen unter Vollnarkose gehörig durcheinander. Besonders sensible Menschen empfinden dieses Chaos oft intensiv und als sehr unangenehm. Im physischen Bereich kommt es zu Anpassungsstörungen der vegetativ gesteuerten Organe. Im psychischen Bereich kann es sogar zu massiv depressiven Phasen kommen. Die Akupunktur ist eine einfache, nebenwirkungsfreie Methode, um dem Organismus wieder in die Spur zu helfen. So kann sich das Shen wieder im leiblichen Gefüge verankern und quasi auch wieder das Kommando übernehmen. Dies verläuft eben im postoperativen Geschehen nicht immer reibungslos.
Die Autorin ist Verfasserin zahlreicher Beiträge und auch Buchautorin. Hier gelangen Sie zu Ihrem Buch
>> Baur-Müller über Westliche Heilpflanzen
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Birgit Baur-Müller, Jahrgang 1968, 2 Töchter 17 und 28 Jahre, Studium der Humanmedizin 1988 bis 1995 an der LMU München. Von 1996 bis 2003 ÄIP und Assistenzärztin in der Gynäkologie und Geburtshilfe. Seit 1996 Studium der Akupunktur und Chinesischen Medizin, zunächst bei der DÄGfA, A-Diplom für Akupunktur, anschließend bei F. Ramakers, J. Ross, G. Maciocia, B. Kirschbaum, H. Frühauf, G. Neeb, u.a. Seit 1998 niedergelassen in privater Praxis mit Schwerpunkt, neben der Akupunktur, Westliche Kräuter in der Chinesischen Medizin.