Lesen Sie hier einen Beitrag von Dr. Manfred Kubny, warum der neue Feng Shui Jahreskalender auch für TCM-Therapeuten interessant ist.
Im Verständnis der traditionellen chinesischen Wissenschaften hängen alle Erscheinungen in der erfahrbaren Welt durch ein Netz der gegenseitigen Beziehungen zusammen. Die bekanntesten Muster sind dabei die Metakategorien Yin und Yang, das normative System der fünf Elemente und die 64 Hexagramme des Yijing, dem Buch der Wandlungen.
Mit Hilfe dieser theoretischen Instrumente werden alle Erscheinungen der Natur in Raum und Zeit klassifiziert, was von dem berühmten Sinologen Joseph Needham als „systematische Korrespondenz“ bezeichnet wurde. Aus diesem Grund spielt auch die Bewertung und Darstellung von Zeit seit den frühesten Beginnen der chinesischen Kultur eine große Rolle in allen traditionellen chinesischen Wissenschaften, wie zum Beispiel in der chinesischen Raumpsychologie und Umweltgestaltung Feng Shui 風水 „Wind und Wasser“, dem System für Situationsanalyse und Strategiebildung Qimen Dunjia 奇門遁甲 „Die Mystischen Tore und das versteckte Schild“ und schließlich auch die Chronobiologie und Psychologie Bazi Suanming 八字算命 “Die Lebensberechnung nach den acht Schriftzeichen“ (aka „Chinesische Astrologie“).
Chinesische Jahreskalender: Wannianli und Tong Shu
Aber auch die traditionelle chinesische Medizin nutzt die Daten des chinesischen Kalenderwesen als Hilfsmittel für ihre Diagnosestellung und dem daraus abgeleiteten therapeutischen Vorgehen. Die Chronoakupunktur, bekannt geworden durch die überaus bekannte „Organuhr“ nach Erich Stiefvater, und das erst in den letzten Jahren stärker wahrgenommene, Spezialgebiet der „Medizin des zyklischen Qi“ 運氣醫學 (Yunqi Yixue) (auch bekannt als Wuyu Liuqi五運六氣 „Fünf Zyklen und sechs Qi“ sind Ausdruck der Präsenz kalendarischer Daten in der chinesischen Medizin. Deren Anwendung bezieht sich direkt auf die Daten des chinesischen Kalenderwesens, das schließlich zwei dominante spezielle Kalenderformen hervorgebracht hat:
- Der Wannianli 萬年曆 “10.000-Jahres-Kalender“ ist eine neutrale Datenbank für alle kalendarischen Jahre und deren Tagen und Monaten. Dessen Daten erhalten erst in den jeweiligen Traditionellen Wissenschaften mit deren Deutungsinstrumente einen Wert.
- Der traditionelle chinesische Jahreskalender Tong Shu 通書 „Jahreskalender“, ist eine mikroskopische Vergrößerung der Kalenderdaten eines Jahres und unterteilt diese noch stärker, wobei er ihnen bereits einen signifikanten Deutungswert zuweist.
In beiden Kalenderformen sind die beiden piktographischen numerologischen Systeme der 10 Himmelstämme und 12 Erdzweige die Hauptinstrumente der Darstellung von Zeit. Sie bilden gemeinsam 60 Kombinationen, jeweils bestehend aus zwei Schriftzeichen. Jede kalendarische Zeiteinheit wird mit einer dieser Kombination dargestellt, so dass Jahr, Monat, Tag und Stunde gemeinsam acht Schriftzeichen ergeben, was wiederum den Namen der Technik “Die Lebensberechnung nach den acht Schriftzeichen“ erklärt.
Durch die, in der „systematischen Korrespondenz“ begründeten Korrelationen können auch die 10 Hs und 12 Ez (welche im Grunde Platzhalter für die Elementezuordnung der beiden Entitäten Himmel und Erde sind) Organen und Körperbereichen zugeordnet werden. Während sich die Chronoakupunktur in ihrer simplen Ausführung der bekannten „Organuhr“ ausschließlich auf Erdzweige bezieht und besonders die täglich wiederkehrenden Doppelstunden bezeichnet, entfaltet die medizinische Spezialrichtung Wuyun Liuqi ein komplexes System aus klimatischen Daten. Letzteres stellt die Daten für Jahre, Monate (stellvertretend für die Jahreszeiten) und ebenso für Tage und Stunden zusammen, welche dann gemeinsam auf die Körperverhältnisse des Patienten projiziert werden, welche vorher durch gesonderte Diagnoseverfahren der TCM ermittelt worden sind.
Bazi Suanming
Aber auch die Technik Bazi Suanming bietet seit dem 10. Jh. in der klassischen Literatur gut dokumentierte medizinische Diagnoseverfahren an, deren Daten ausschließlich auf dem chinesischen Kalenderwesen beruhen.
Die Nutzung von Zeit als medizinisch diagnostisches Instrument beruht auf der Annahme, dass Zeit nicht nur verläuft sondern während ihres Verlaufes kontinuierlich verschiedene Qualitäten annimmt, die durch die 60 Kombinationen der Himmelsstämme und Erdzweige ausgedrückt werden. Deren Qualität hat eine Wirkung auf die seelische und körperliche Verfassung des Menschen, so dass sie einerseits psychologisch aber andererseits auch körperlich deutbar ist, weil sie sowohl mit chinesischen Persönlichkeitstypen als auch mit Organen und Körperbereichen im Sinne der systematischen Korrespondenz korreliert sind.
Je nach dem Muster der jeweiligen chinesischen Wissenschaft können die 60 Kombination der 10 Hs und 12 unterschiedlich aufgefasst werden:
- Thermisch unter der Annahme, dass Zeit durch Klima und Jahreszeiten ausgedrückt wird.
- Ekliptisch, wenn man Zeit als Ausdruck der Bewegung von Himmelskörpern annimmt.
- Die Thermische und Ekliptische Zuweisungen vereinen sich, wenn man die Bewegung Sonne als Leitfaden nimmt.
- Ökologisch, wenn Zeit als eine kombinierte Wirkkraft der Entitäten von Himmel und Erde auffasst.
- Entropisch, wenn Zeit als sichtbar gemachter Verfallsprozess und kontinuierliche Veränderung der Lebenskraft Qi angesehen wird.
- Zirkulierend, wenn man alle Phänomene der Wiederkehr in der menschlichen Welt ansieht: Die Kreisläufe um den Polarstern, der Jahreszeiten, der Sonne und des Mondes und von Tag und Nacht.
Alle diese Phänomene werden durch die 10 Hs und 12 Ez und den 64 Hexagrammen, sowie speziellen, bereits abgeleitete Instrumenten, wie beispielsweise die „12 Qi-Phasen“ 十二運 (Shi´er yun) bewertet.
Ihre kalendarischen Daten werden als Material in den chinesischen Wissenschaften zur spezifischen Deutung verwendet und speziell in der traditionellen chinesischen Medizin für diagnostische Zwecke erhoben.
Das chinesische Kalenderwesen ist daher mehr als ein Kalender, der sagt ob heute Sonntag oder Montag ist. Er ist ein, aus der Sicht der traditionellen chinesischen Wissenschaften evidentes Arbeitsmittel, das vielfältig zum Einsatz kommt. Besonders der chinesische Jahreskalender Tongshu bietet akribische Daten für alle chinesischen Wissenschaften und besonders für die Diagnose in der TCM. Diese Daten sind bis zu einem gewissen Grad mit einem Deutungsangebot versehen, können aber auch roh in speziellen Mustern der einzelnen Fachbereiche verwertet werden. Aus diesem Grunde erscheint ein Wannianli eher allgemein gehalten, während der Tongshu ein höchst detailliertes Datengebilde für jeden Tag und sogar Stunden ist und so auch Informationen für diagnostische Zwecke in der Traditionellen Chinesischen Medizin anbietet.
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Dr. Manfred Kubny (geb.. 1959) ist ein deutscher Sinologe, Japanologe und Medizinhistoriker mit umfassenden weiteren Ausbildungen im gesundheitspädagogischen, psychotherapeutischen und komplementärmedizinischen Bereich. 2017 schloß er gemäß des Mottos „lebenslanges Lernen“ einen zweiten Masterstudiengang in „Kulturwissenschaften und Komplementärmedizin“ ab.
Manfred Kubny interessiert sich speziell für die Geschichte, Theorie und Praxis aller Techniken des körperlichen und mentalen Selbsterhaltes in den traditionellen chinesischen Wissenschaften und ist Autor mehrerer bekannter Grundlagenwerke zum Thema.
Seit über 40 Jahren erforscht er die chinesische Astrologie Bazi Suanming und veröffentlichte im Jahr 2000 dass erste Lehrbuch zu dieser Technik der Schicksalskunde mit dem dazu gehörigem Kalenderwesen. Aufgrund seiner außergewöhnlichen Spezialkenntnisse wurde er 2008 an der National University of Natural Medicine (Portland, OR, USA) zum Professor berufen.
Nun stellt er erneut eine Pionierarbeit vor:
Die authentische Wiedergabe des traditionellen chinesischen Jahreskalender Tongshu 通書 „Almanach“ in deutscher Sprache mit einem von ihm entwickelten Design, das es ermöglicht auch hierzulande verstanden zu werden. Chinesische Kenntnisse für die Nutzung seines Jahreskalenders sind daher nicht notwendig.