Naturmed Nlog - Therapeuten Fachbuchblog

Der Autor Hans-Georg Ross stellt das Buch Tung’s Acupuncture vor.

 

 

 

 

Professor Hans-Georg Ross

 

Naturmed:  Was ist die Balance-Methode und was unterscheidet sie von Master Tung’s Akupunktur?

Professor Ross: Man vermutet, dass beide Therapiesysteme einen gemeinsamen Ursprung haben, der etwa bis in die Han-Dynastie zurückreicht. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Überschneidungen und Ähnlichkeiten bestehen. Dennoch gibt es auch deutliche Unterschiede. Die Balance-Methode zielt primär auf die Therapie von Schmerzen und ist auf die Auflösung von Stagnationen innerhalb der Hauptleitbahnen gerichtet. Tung’s Akupunktur ist hingegen wesentlich differenzierter und weitreichender, weil sie weit über die Schmerztherapie hinausreicht und dem Therapeuten ein Repertoire sehr wirksamer Punkte zur Verfügung stellt, die nach meiner Erfahrung bei einer Vielzahl von Erkrankungen zuverlässig und reproduzierbar wirken.

Eine – jedenfalls aus meiner Sicht – sehr große Stärke des Tung’schen Systems besteht darin, dass sich aus seiner theoretischer Struktur auch der Wirkmechanismus vieler TCM-Punkte weitgehend rational ableiten lässt.

Naturmed:  Wenn man das Buch über die Balance-Methode von Ihnen und Herrn Sulistyo Winarto hat, warum braucht man dann ein Buch wie den Practical Atlas of Tung’s Acupuncture?

Professor Ross:  Ich denke, das hängt davon ab, wo man sich als Therapeut verortet und welches Spektrum man abdecken möchte. Ich selbst benutze beide Systeme komplementär. Für die reine Schmerztherapie finde ich oft die Balance-Methode direkter und einfacher zu handhaben, für komplizierte Syndrome oder Syndromkomplexe ist Master Tung’s Akupunktur meist besser geeignet.

Frage:  Sind die in dem Practical Atlas of Tung’s Acupuncture genannten Punkte die gleichen wie in den Veröffentlichungen von Miriam Lee, Wei-Chieh Young, James H. Maher oder Palden Carson?

Professor Ross:  C. C. Tung (Master Tung) hat im Jahre 1973 in Taipeh (Taiwan) ein Buch über seine Methode veröffentlicht, das im Wesentlichen aus einer Liste  von Punkten mit Lokalisationen und Indikationen bestand. Dieses Buch hat Tung einem seiner Schüler diktiert, der es dann wahrscheinlich in die endgültige Form brachte. Man kann also annehmen, dass diese Liste alle Punkte enthielt, die Tung zu diesem Zeitpunkt in seiner Praxis an seine Schüler weitergegeben hat. Trotzdem gibt es zwischen den Überlieferungen der direkten und indirekten Schüler teilweise erhebliche Differenzen sowohl bezüglich der Punktzahl als auch hinsichtlich deren Lokalisation. In unserer Darstellung haben wir versucht, einige dieser Diskrepanzen aufzulösen. Wichtiger als die Beschäftigung mit den unterschiedlichen Auffassungen in der Literatur war uns aber, den Therapeutinnen und Therapeuten die Grundlagen zu vermitteln, mit deren Hilfe sie die von Tung beschriebenen Punktwirkungen gedanklich nachvollziehen können. Außerdem enthält unser Atlas zusätzlich auch die sog. geheimen Punkte der Tung’schen Familie, die nicht in seinem Buch erwähnt wurden sowie seine Anleitung zum Gebrauch ausgewählter TCM- Punkte.

Naturmed: Ersetzen das Buch über die Balance-Methode und der Practical Atlas of Tung’s Acupuncture eine Schulung? Oder ist die Methode so einfach beschrieben, dass man sofort damit anfangen kann?

Professor Ross:  Während der vielen Seminare, die ich im In- und Ausland zu diesem Thema abhalte, habe ich gelernt, dass auch die besten theoretischen Darstellungen nicht das praktische Üben unter Anleitung und die unmittelbare Anschauung ersetzen können. Die literarische Aufarbeitung vermittelt zwar die Grundlagen und vertieft das Verständnis, aber ohne die direkte therapeutische Aktion (Punktidentifikation, Punkttastung, Punktnadelung) unter Supervision bleibt sie eben was sie ist: Literatur.

 McCann, H./Ross, H.-G. Ross – Practical Atlas of Tung’s Acupuncture

 

 

 

 

 

Die Balance-Methode in der AkupunkturRoss, H.-G./ Sulistyo Winarto, F. – Die Balance-Methode in der Akupunktur