Ein Beitrag von Stephanie Reineke
TCM-Diagnose, Beispiel Zungendiagnose bei Pferd und Hund
Die TCM Diagnose (Zhong Yi Zhen Duan) besteht in der Regel aus vier Diagnosemethoden (Si Zhen), Anamnese, Adspektion, Palpation und Auskultation/Olfaktion.
Die Zungendiagnose gehört zur Adspektion, da die Zunge von Pferd oder Hund durch Anschauen beurteilt wird. Dabei haben wir Tiertherapeut:innen es leider schwerer als unsere Kolleg:innen aus dem Humanbereich, da Hunde und Pferde die Zunge nicht auf Kommando heraus strecken. Ich habe das Glück zwei Pferdepatienten zu haben, denen es beigebracht wurde, auf ein Kommando, die Zunge herauszustrecken, dies vereinfacht die Diagnostik enorm.
Wie gehe ich bei der Zungendiagnostik vor
Beim Hund empfiehlt es sich das Hecheln abzuwarten, denn dann kann man die Zunge in Ruhe betrachten, und das Pferd kann durch leichten Druck auf die Laden, das ist der zahnlose Teil des Kiefers, zum Öffnen des Mauls animiert werden. Idealerweise steht der/die Therapeut:in dabei vor dem Pferd, um dann schnell einen, oder im Idealfall mehrere Blicke, auf die Zunge werfen zu können. Ein Pferd wird die Zunge dabei nicht steif heraus strecken, sondern Kau- und Zungenbewegungen machen, deshalb müssen wir beim Pferd schnell in der Wahrnehmung sein.
Auf keinen Fall darf die Zunge angefasst und herausgezogen werden, dies ändert sowohl die Farbe, wie auch den Zungenkörper und dann kann die Zunge nicht mehr einwandfrei beurteilt werden. Im Idealfall sollte die Zunge bei Tageslicht beurteilt werden, denn künstliches Licht kann die Zungenfarbe verfälschen. Die „echte“ Farbe muss von eventuellen Verfärbungen durch Futter (Löwenzahn zum Beispiel färbt die Zunge schwarz) unterschieden werden.
Auch gibt es verschiedene Hunderassen, wie zum Beispiel den Chow-Chow , die von Natur aus eine blaue Zunge haben. Hier zeigt das kein Krankheitsbild an, sondern ist physiologisch und rassetypisch normal.
Zungenzeichen erkennen
Anhand der Zunge können wir die verschiedensten Syndrome und ihr Zugehörigkeit zum jeweiligen Zang-Fu (Organsystem der TCM) diagnostizieren.
So liefert sie uns Hinweise auf die Acht Leitkriterien, die äußeren pathogenen Faktoren und die spezifischen Störungen nach der TCM, wie zum Beispiel Magen-Yang-Mangel oder Leber-Feuer.
ACHTUNG: Die Zunge reagiert sehr schnell auf Veränderungen des Organismus und zeigt so immer die akute Störungen. Bei verwirrenden Diagnosen ist also der Zungendiagnostik Vorrang zu geben, da sie die aktuelle Problematik anzeigt.
Zungenkörper
Wir beurteilen bei der Diagnostik den Zungenkörper (dick oder dünn), die Zungenfarbe (blass, rosa oder rot) und den Zungenbelag (dick, dünn, Färbung).
Eine „gesunde Zunge“ ist rosa, wie Schweinefleisch, leicht feucht, hat eventuell einen leichten Belag und ist weder zu dünn, noch zu dick.
Zungenfarbe
Die Farbe der Zunge zeigt den Zustand des Xue-Blut, Yin und Yang, bzw. Kälte- und Hitzezustände an.
Die rote Zunge, wie Rindfleisch, zeigt eine Hitze Erkrankung, zum Beispiel eine akute Entzündung, oder einen Yin-Mangel an.
Eine blasse Zunge, hell wie Putenfleisch, deutet auf einen Kälte Zustand, Qi-, Xue oder einen Yang-Mangel hin.
Hat die Zunge einen bläulichen oder violetten Unterton, weist das auf eine Xue-Blut Stase hin. Eine Xue-Blut Stase ist immer mit Schmerzen verbunden.
Die Form des Zungenkörpers gibt uns einen Hinweis auf die äußeren pathogenen Faktoren.
Eine dicke, geschwollene Zunge deutet auf eine Fülle-Erkrankung oder eine Feuchtigkeitsstörung hin und eine dünne Zunge zeigt einen Mangel an.
Bei einer dicken Zunge, vielleicht auch noch zusätzlich mit dickem Belag, können wir von einer Feuchtigkeitsstörung, z.B. Husten mit viel Schleim, ausgehen.
Eine dünne Zunge weist auf eine Leere hin. Bei einem Yang-Mangel wird die Zunge dünn und zusätzlich blass erscheinen.
Eine dünne und rissige Zunge wiederum, deutet auf einen JinYe-Körpersäfte Mangel hin.
Ein Zungenbild, welches häufig zu sehen ist, ist eine Zunge mit einer deutlichen Mittelkerbe. Dies weist auf eine Störung in den Funktionskreisen Milz-Pankreas und Magen hin.
Wieso aber Milz-Pankreas und Magen?
Die einzelnen Bereiche der Zunge sind den verschiedenen Zang-Fu (Organsysteme der TCM) zugeordnet. Auffälligkeiten in bestimmten Bereichen können also einen Hinweis auf die betroffenen Funktionskreise geben.
Zungendiagnose
So ist die Spitze der Zunge dem Herz-Xin, der vordere Teil der Lunge-Fei, die Zungenmitte dem Magen-Wei und der Milz-Pi, die Räder der Leber-Gan und Gallenblase-Dan und der hintere Teil, die Zungenwurzel, Niere-Shen und Blase-Pangguang zugeordnet.
Also deutet eine Kerbe, die bis in die Zungenspitze reicht, auf ein Problem im Funktionskreis Herz-Xin hin.
Bläschen oder Pusteln am Zungenrad oder unter der Zunge deuten auf einen eingeschlossenen pathogenen Faktor hin. Sind die Bläschen zusätzlich noch rot, ist es eine eingeschlossene Hitze.
Bei diesem Zungenbild sollte in der Behandlung unbedingt „die Oberfläche geöffnet“ werden, damit der pathogene Faktor den Körper verlassen kann und es nicht immer wieder zu Rezidiven kommt.
Beispiel Zungenbelag
Auch der Zungenbelag spiel eine wichtige Rolle für die TCM Diagnosefindung.
Ein dünner, gleichmäßiger Zungenbelag ist normal, sollte die Zunge aber einen dicken Belag aufweisen wird das Tier wahrscheinlich unter einer Feuchtigkeits- oder Schleimstörung leiden.
Je nach Farbe des Belags kann zwischen Feuchter-Kälte, der Belag ist weiß, und Feuchte-Hitze, mit gelben Belag, unterschieden werden.
Ein brauner Belag im hinteren Teil der Zunge könnte auf eine Niereninsuffizienz hinweisen.
Foto „Brauner Belag bei Niereninsuffizienz“
Die Zungendiagnostik ist also ein wertvoller Bestandteil der TCM Diagnose und sollte auf keinen Fall in der Befundung fehlen.
Titelbild: Marie Schade (Dogsanddreams-Pfotografie)
Das Buch der Autorin Stephanie Reineke
TCM Diagnostik in der Veterinärmedizin
Sichere Diagnostik und erfolgreiche Therapie für Pferd und Hund
Verlag: Windpferd Verlag, ISBN: 9783864103537, 2022, 380 Seiten
>> hier der Link zum Buch TCM-Diagnostik in der Veterinärmedizin
Stephanie Reineke ist 1972 geboren und widmet den Großteil ihrer Zeit der Therapie von Pferden und Hunden. Ihr Schwerpunkt ist dabei die Osteopathie und die klassische TCM Akupunktur und Phytotherapie.
Seit 2019 bildet Sie an ihrem „Ausbildungszentrum für TCVM und Akupunktur“ Veterinärakupunkteure aus.
Da ihr die klassische TCM mit ihrer beispiellosen Diagnostik sehr am Herzen liegt, hat sie viel recherchiert und fast 2 Jahre an ihrem Buch „TCM Diagnostik in der Veterinärmedizin“ geschrieben, welches 2022 veröffentlicht wurde.
Das nächste Buchprojekt zum Thema „Chinesische Phytotherapie in der Veterinärmedizin“ ist bereits in Arbeit.