Die Vier Tantras der Tibetischen Medizin
Interview mit Dr. Florian Ploberger über die Übersetzung des Buches Vier Tantras der Tibetischen Medizin
naturmed: Erzählen Sie mir zunächst bitte etwas darüber, wie Sie mit diesem Übersetzungsprojekt der rgyud bzhi (Vier Tantras der Tibetischen Medizin) begonnen haben und wie es sich im Laufe der Zeit entwickelt hat?
Diese Arbeit begann vor langer Zeit, im Jahr 2003. In diesem Jahr schrieb ich ein Buch über Tibetische Medizin. Ich studierte tibetische Sprache und buddhistische Philosophie an der „Library of Tibetan Works & Archives” in Dharamsala (Nordindien) und ging regelmäßig zum Men-Tsee-Khang (Institut für Tibetische Medizin und Astrologie unter der Schirmherrschaft des XIV. Dalai Lama), wo ich privat recherchierte. 2007 wurde ich dann zu einem Vortrag im Men-Tsee-Khang über den Vergleich von TCM-Phytotherapie und Tibetischer Medizin-Phytotherapie eingeladen. Dadurch lernten mich die Ärzte des Men-Tsee-Khang genauer kennen. Das Men-Tsee-Khang hatte das Buch „Fundamentals of Tibetan Medicine“ in englischer Sprache veröffentlicht und ich erhielt die ehrenvolle Erlaubnis, dieses Buch ins Deutsche zu übersetzen. Zu dieser Zeit fuhr ich jedes Jahr für 4-5 Monate nach Dharamsala. Es war eine interessante und freudvolle Aufgabe für mich, dieses Buch vom Englischen ins Deutsche zu übersetzen. Nach der Veröffentlichung schlug Dr. Tsewang Tamdin vor: „Wollen Sie nicht die rgyud bzhi übersetzen?“ Und ich dachte: „Wow, das ist eine gute Idee.“ Zu dieser Zeit war Dr. Dawa der Direktor des Men-Tsee-Khang. Trotz der Tatsache, dass Dr. Dawa wirklich hilfsbereit war, war es schwierig, die Genehmigung für die Übersetzung vom Privatbüro Seiner Heiligkeit des Dalai Lama, der Gesundheitsabteilung der Exilregierung, dem Central Council of Tibetan Medicine (CCTM) und Men-Tsee-Khang zu erhalten. Es dauerte einige Zeit, bis Dr. Dawa das „Agreement Paper“ unterzeichnen konnte.
Dennoch kann eindeutig gesagt werden, dass ich von vielen verschiedenen Seiten wunderbare Hilfe bekommen habe. Von zahlreichen Tibetern individuell beim Studium der tibetischen Sprache und Medizin, aber natürlich auch vom Privatbüro des Dalai Lama, dem Men-Tsee-Khang, von vielen Anthropologen, insbesondere über anthropologische Literatur und das Schreiben von Artikeln sowie unserer Universität in Österreich. Es ist, als wäre ich für dieses Projekt inmitten eines Mandalas. Viele Menschen haben mich unterstützt und sind noch immer sehr hilfreich.
naturmed: Was waren einige Ihrer denkwürdigsten Momente als Übersetzer und als Mensch, als Sie an diesem großen Projekt gearbeitet haben?
Als ich im Jahr 2003 das Buch über Tibetische Medizin schrieb und den Dalai Lama um ein Vorwort bat, sagte das Privatbüro des Dalai Lama, dass dieses Buch in deutscher Sprache interessant sei, sie aber die Bedeutung des Geschriebenen nicht verstehen können. So habe ich das Manuskript übersetzen lassen und eine englische Version des Textes an das Privatbüro des Dalai Lama gesendet. Danach kam die Antwort, das Manuskript sei gut, aber ich solle wieder nach Dharamsala kommen, um den Text ausführlich mit seinen tibetischen Ärzten zu besprechen. Er schlug Dr. Pema Dorje vor, den damaligen Leiter der Abteilung „Sorig Literary Research“ des Men-Tsee-Khang. Also gingen wir drei Monate lang zusammen den Text durch. Dr. Tenzin Namdul war zu dieser Zeit Leiter der Forschungsabteilung des Men-Tsee-Khang. Beide Ärzte waren sehr hilfreich. 2003 waren meine tibetischen Sprachkenntnisse nicht besonders gut, aber ich habe versucht, meine Sprachkenntnisse zu verbessern.
Ich hatte immer verschiedene Themen und Fragen, die ich zu meinen Gesprächen bzw. dem Unterricht mit tibetischen Ärzten mitbrachte. Dr. Tenzin Namdul schlug vor: „Beginnen wir am Anfang, mit dem ersten Kapitel der rgyud bzhi.“ Dies war eine brillante Idee! Als die Übersetzungsarbeit der rgyud bzhi dann tatsächlich begann, hatte ich den Text bereits einige Jahre mit Dr. Wangdue, meinem wichtigsten Lehrer, studiert, ging die rgyud bzhi-Kommentare durch und erhielt viele Erklärungen von erfahrenen tibetischen Ärzten. Darüber hinaus war es nicht allzu schwierig, mit der Übersetzung ins Deutsche zu beginnen, da das Men-Tsee-Khang bereits die ersten beiden Tantras ins Englische übersetzt und den Text 2008 mit dem Titel „The Basic Tantra and The Explanatory Tantra from the Secret Quintessential Instructions on the Eight Branches of the Ambrosia Essence Tantra“ veröffentlicht hatte. Es war nur der nächste Schritt, diesen Text ins Deutsche zu übersetzen. Dabei bemühte ich mich, diesen so geschätzten Text philologisch so gut wie möglich zu übersetzen.
naturmed: Können Sie mir ein Beispiel für eine interessante Frage geben, die Sie gestellt haben, und deren Antworten?
Im 2. Kapitel des bshad rgyud (2. Tantra) beschreibt der tibetische Text, wann eine Frau ein Kind empfangen kann, bzw. sie schwanger werden kann. Aber im tibetischen rgyud bzhi-Text, in dem jeder Satz aus 9 Silben besteht, werden zahlreiche wichtige Silben ausgelassen, um das Versmaß einhalten zu können. Das Men-Tsee-Khang interpretierte und übersetzte die gesamte Passage aus Sicht der Schulmedizin. So können wir in der englischen Version auf Seite 48 lesen: „Während der drei Tage der Menstruation und des elften Tages nach der Menstruation findet keine Empfängnis statt. Danach öffnet sich der Cercix und ein Kind kann gezeugt werden … “. Die Bedeutung des tibetischen Textes ist jedoch möglicher Weise eine andere. Die Interpretation des Kommentars von Troru Tsenam aus dem Jahr 2004, auf dem die Men-Tsee-Khang-Übersetzung basiert, ging zugunsten der Schulmedizin, alle anderen älteren Kommentare interpretierten diese Passage völlig anders. Als ich dieses Thema in unsere Gespräche einbrachte, begannen die Men-Tsee-Khang-Ärzte darüber zu diskutieren. Schließlich schrieb ich in der deutschen Übersetzung eine lange Fußnote mit all den unterschiedlichen Meinungen, die geäußert wurden. Dies könnte als Beispiel dafür dienen, dass unsere Diskussionen nach einiger Zeit sehr fruchtbar wurden.
[Ein weiterer denkwürdiger Moment]: 2006 oder 2007 wurde Dr. Dawa an unsere Universität in Wien (Institut für Südasien-, Tibet- und Buddhismusforschung (ISTB)) eingeladen. Nach seinem Vortrag gingen wir zusammen mit dem Vorstand unseres Institutes in ein chinesisches Restaurant. Ich saß neben Dr. Dawa und wir gingen gemeinsam die Speisekarte durch. Als ich ihn fragte, was er essen wolle, antwortete er: „Sie kennen mich gut. Bitte bestellen Sie für mich.“ Dies war eine sehr persönliche, nette Aussage von ihm, die unsere Beziehung veranschaulicht.
naturmed: Wurde die Arbeit an dieser Übersetzung von Ihrer Tätigkeit als praktischer Arzt beeinflusst? Wenn das so ist, wie?
Meine persönliche Geschichte ist, dass ich Anfang der 90er Jahre angefangen habe, Schulmedizin und chinesische Medizin zu studieren. Ich wollte offiziell als Arzt in Österreich mit den Methoden der TCM arbeiten können. Nach Abschluss meiner Ausbildung arbeitete ich seit 2004 selbstständig als Arzt in Österreich. Patienten kamen in meine Praxis, aber nach einiger Zeit hatte ich den Eindruck, dass ich ihnen nicht wirklich helfen konnte. Zum Beispiel gab ich Kräuter gegen Krebserkrankungen, aber oft konnten den Patienten nicht gut geholfen werden. Ich war nicht zufrieden mit den Ergebnissen meiner Tätigkeit. Nach zweijähriger Überlegung hörte ich 2007 in der Ordination auf zu arbeiten und beendete diese Tätigkeit. Dadurch bekam ich die Möglichkeit, regelmäßig längere Zeit in Dharamsala zu verbringen, wo ich unter anderem buddhistische Literatur an der Library of Tibetan Works & Archives studierte, insbesondere das Thema: „Warum werden Menschen krank?“. Was ich am interessantesten fand, ist, dass es aus der Sicht der Tibetischen Medizin vier verschiedene Arten von Krankheiten gibt. Beispielsweise Krankheiten, die durch gdon (böse Geister) verursacht werden; Krankheiten, die durch das Karma vergangener Leben verursacht werden; Krankheiten, die durch das Verhalten von Körper, Rede und Geist verursacht werden usw. Mit diesem Wissen habe ich 2011 meine Ordination wiedereröffnet. Natürlich bin ich noch immer nicht in der Lage, sämtliche Leiden zu mindern. Wenn den Patienten geholfen werden kann, großartig! Aber auch in schweren Fällen gibt es mit diesem Konzept immer etwas zu tun. Philosophisch gesehen ist die Tibetische Medizin bei dem Umgang mit schwerwiegenden Krankheiten überaus hilfreich.
naturmed: Können Sie einen Moment beschreiben, in dem Sie wirklich mit der Übersetzung zu kämpfen hatten und was Sie getan haben, um in diesem Moment weiterzumachen?
Es ist lange her. Ich habe 3-4 Jahre in einem österreichischen Krankenhaus gearbeitet. Nach diesen Jahren reiste ich nach Dharamsala und begann meine Recherchen für das Buch über Tibetische Medizin. Nachdem ich das gesamte Manuskript fertiggestellt hatte, bat ich den Dalai Lama um ein Vorwort und erhielt die Antwort „Bitte senden Sie uns Details“. Nachdem ich dies getan und eine übersetzte Version des Manuskripts geschickt hatte, ließ mich das Privatbüro des Dalai Lama lange warten. Schließlich sagte der Leiter des Privatbüros: „Kommen Sie nach Dharamsala und sprechen Sie mit uns.“ Ich nahm den nächst-möglichen Flug nach Indien. Dann, zwei Wochen später, bekam ich das Vorwort. Insgesamt dauerte es 2 Jahre, um das Vorwort für dieses Buch zu erhalten. Geduld spielt also eine wichtige Rolle.
Eine weitere Geschichte: Bevor Dr. Dawa das „Agreement Paper“ für die Übersetzung der ersten beiden Tantras der rgyud bzhi unterzeichnete, ließ er mich lange warten. Ich war in diesem Jahr vier oder fünf Monate in Dharamsala und er unterschrieb aus einem mir unbekannten Grund das „Agreement Paper“ nicht. Eine Woche vor meiner geplanten Rückkehr nach Europa sagte ich während eines Treffens in seinem Büro zu ihm: „Bitte sagen Sie mir den wahren Grund, warum Sie die Papiere nicht unterschreiben können.“ Darauf ging Dr. Dawa zum Bücherregal seines Büros, nahm die englische Version des Buches „Fundamentals of Tibetan Medicine“ (die erste Ausgabe) heraus und sagte: „Sie haben geändert, was auf der Rückseite des Buches steht.“ Er erklärte, dass auf der Rückseite der deutschen Version des Buches ein Zitat des Dalai Lama veröffentlicht sei, welches jedoch nicht auf der Rückseite der ersten Ausgabe des englischen Buches zu finden wäre.“ Sofort sagte ich: „Vielen Dank, dass Sie mir dies erzählt haben.“ Ich ging zu der im gegenüber liegenden Gebäude befindlichen Buchhandlung des Men-Tsee-Khang und kaufte die 4. Auflage der englischen Version des Buches „Fundamentals of Tibetan Medicine“, welche ich für das Men-Tsee-Khang übersetzt hatte (und welche mir vom Men-Tsee-Khang zum Übersetzen gegeben wurde). Diese Version des Buches hat das Zitat des Dalai Lama auf der Rückseite. Dr. Dawa hatte lediglich die 1. englische Ausgabe in seinem Bücherregal. Diese hat das Zitat des Dalai Lama nicht auf der Rückseite. Nach der Veröffentlichung der zweiten englischen Ausgabe hat das Men-Tsee-Khang das Buch abgeändert. Sie haben es überarbeitet und das Zitat des Dalai Lama auf der Rückseite eingefügt. 20 Minuten, nachdem ich die 4. englische Ausgabe des Buches mit dem Zitat des Dalai Lama auf der Rückseite Dr. Dawa gezeigt hatte, erhielt ich das unterschriebenen „Agreement Paper“ für die Übersetzung der ersten beiden Tantras der rgyud bzhi.
Ich war zu Beginn der Übersetzung mit einigen weiteren Herausforderungen konfrontiert. Ich musste herausfinden, wie man die alten tibetischen medizinischen Begriffe, Pflanzennamen, Pulsqualitäten usw. übersetzt. Ich versuchte verschiedene Methoden, den Text zu übersetzen, fand aber keinen befriedigenden, guten Weg. Dann, nach ungefähr sechs Monaten, kristallisierte sich langsam heraus, wie man alle erwähnten Begriffe möglichst ideal übersetzen kann.
naturmed: Können Sie einen Moment der wirklichen Freude an der Arbeit an diesem Projekt beschreiben?
Heutzutage, wenn ich das rgyud bzhi übersetze, beschleunigt sich manches Mal mein Herzschlag. Es ist, als würde man eine nahestehende Person treffen, die man schon lange nicht mehr getroffen hat. Die Übersetzung wird mit der Zeit einfacher. Wenn ich an dem Text arbeite, bin ich konzentriert. Wenn ich nicht in Dharamsala bin, arbeite ich normalerweise lediglich 1-2 Stunden am Tag an der Übersetzung, weil es sonst zu anstrengend wäre. Ich liebe es einfach, die rgyud bzhi zu übersetzen und seine Kommentare zu studieren. Manchmal mache ich mir Notizen mit Fragen zu unklaren Begriffen. Es ist wirklich eine Freude, diese Themen mit tibetischen Ärzten am Men-Tsee-Khang zu besprechen und in ihren Büros gemeinsam Tee zu trinken.
naturmed: Jedes der vier Tantras ist einzigartig, und doch bilden sie auch ein Ganzes. Was haben Sie durch die Übersetzung über die Beziehung der einzelnen Abschnitte zueinander gelernt?
Die verschiedenen Abschnitte der rgyud bzhi sind überaus gut strukturiert. Es ist spannend zu beobachten, wie gut der gesamte Text organisiert ist. Das Wurzeltantra besteht aus nur sechs Kapiteln. Die rgyud bzhi sind derart prägnant und gut verfasst, dass die größten Teile der restlichen rgyud bzhi, also die „restlichen“ 150 Kapitel, eine erweiterte Wiederholung und Analyse dieser sechs Kapitel darstellen. Insbesondere das Tantra der mündlichen Überlieferung ist eine detaillierte Wiederholung des Wurzel-Tantra. Ich bin wirklich erstaunt, wie gut die rgyud bzhi komponiert sind und finde keine markanten Unterschiede zwischen den vier verschiedenen Tantras. Sie scheinen wirklich von demselben Autor geschrieben zu sein. Und dieser hatte einen sehr genauen Plan!
naturmed: Können Sie mir etwas über Ihre Übersetzungsarbeit erzählen? Wie fangen Sie mit einem neuen Abschnitt oder einer neuen Passage an? Was ist Ihre Vorgangsweise? Hat sich diese im Laufe der Zeit geändert? Schreiben Sie mit der Hand, am Computer oder beidem?
Die Übersetzung der rgyud bzhi hat vor langer Zeit begonnen. Vielleicht kann man behaupten, dass es begann, als ich anfing, die tibetische Sprache zu erlernen. Einige Zeit später studierte ich tibetische Sprache und Tibetische Medizin bei tibetischen Ärzten. Nach meinem Vortrag am Men-Tsee-Khang im Jahr 2007 sagte Dr. Tamdrin, dass ich mit dem rgyud bzhi beginnen solle, beginnend mit dem ersten Kapitel. Ich war mit Dr. Wangdue befreundet, der an der Schule des Men-Tsee-Khang unterrichtete. Er hat mir täglich Privatunterricht gegeben, nachdem er bis um 17.00 Uhr an der Schule des Men-Tsee-Khang gelehrt hat. Also fingen wir um 17.15 Uhr an und lernten bis 19.00 Uhr, beginnend von der ersten Seite dieses so wunderbaren Textes bis zur letzten Seite. Dies dauerte 12 Jahre.
Nach einiger Zeit hatte ich viele detaillierte Erklärungen über die rgyud bzhi gehört, zahlreiche Fußnoten geschrieben und mit Dr. Wangdue weiter über die rgyud bzhi und seine Kommentare recherchiert. Bevor ich anfing, ein einziges Wort einer neuen deutschen Übersetzung zu schreiben, wartete ich immer, bis wir das „Agreement Paper“ unterschrieben hatten.
Normalerweise lese ich die englische Version, die vom Men-Tsee-Khang veröffentlicht wird, sorgfältig durch und gebe dann das Word-Dokument dieser englischen Version an Mag. Ursula Derx, eine medizinische Fachübersetzerin, die es überaus präzise, mit viel Liebe zum Detail und mit schöner Sprache vom Englischen ins Deutsche übersetzt. Nach Erhalt der deutschen Version von Mag. Derx beginne ich an der eigentlichen Übersetzung zu arbeiten.
Normalerweise verwende ich mindestens drei verschiedene Arten von rgyud bzhi -Kommentaren:
Einen von Desi Sangye Gyatso (1653-1705) (gso ba rig pa’i bstan bcos sman bla’i dgongs rgyan rgyud bzhi’i gsal byed baidur sngon po’i malli ka (rgya mtsho, sangs rgyas) ([1687-88 ] 1982)), einen von Kyempa Tsewang aus der Zurkhar-Tradition (15. Jahrhundert) (mkhas dbang skyem pa tshe dbang mchog gis mdzad pa’i rgyud bzhi’i ‚grel pa (skyem mpa tshe dbang ([1479] 1997) )) und den „modernen“ Kommentar von Dr. Khenpo Troru Tsenam (1928-2004) (gso rig rgyu bzhi’i ‚grel chen drang srong zhal lung (khro ru tshe rnam 2000)).
Ich gehe die deutsche Version des Textes, durch, der aus dem Englischen übersetzt wurde, und überarbeite den gesamten Text. Es ist hilfreich für mich, den Text auf dem Computer zu haben, wenn ich damit beginne. Ich drucke ihn außerdem aus und mache mir handschriftliche Kommentare.
Bei der Arbeit an der deutschen Übersetzung am Computer versuche ich so präzise wie möglich zu sein. Ich möchte meine Übersetzung möglichst nicht überarbeiten bzw. ändern. Als ob diese Version in Stein gemeißelt wäre. Ich versuche mein Bestes zu geben und keine ungeklärten Fragen offen lassen.
Manchmal dauert es lange, bis ein einzelner Satz übersetzt ist. Wenn Fragen offen bleiben, versuche ich manchmal, mit Dr. Wangdue per Skype zu sprechen oder zum Men-Tsee-Khang in Dharamsala zu reisen, um dort weitere Nachforschungen anzustellen. Der Übersetzungsprozess ist nicht linear, sondern zyklisch.
naturmed: Wie war Ihr Vorgehen, wenn Sie sich dem Tantra der mündlichen Überlieferung zuwenden, welches ja das umfangreichste und in gewisser Weise komplexeste ist? Wo haben Sie angefangen und wie sind Sie mit den Kapiteln vorgegangen, an denen Sie arbeiten?
Ich werde nun bis zum 27. Kapitel übersetzen. Diese 27 Kapitel sollen dann als Buch mit dem Titel „Das Tantra der mündlichen Überlieferung der vier Tantras der Tibetischen Medizin, 1. Teil“ herausgegeben werden. Ich hoffe, wir können in diesem Leben alle 92 Kapitel des Tantra der mündlichen Überlieferung beenden.
naturmed: Wenn Sie den Akt der Übersetzung definieren müssten, wie würden Sie ihn definieren?
Vielleicht würde ich den Akt der Übersetzung folgendermaßen definieren: Es ist, als würde man einen versteckten Diamanten freilegen. Dies sollte geschehen, ohne dass der edle Kristall zerstört wird, damit er den Menschen zugänglich gemacht werden kann. Studenten der Tibetischen Medizin lernen als Teil ihrer Ausbildung große Teile der rgyud bzhi auswendig. Der gesamte Text wird Teil Ihres Körpers und Geistes. Man wird eins mit dem Text. Der Text verändert denjenigen, der ihn studiert, mit all seiner Schönheit. Übersetzer können sich glücklich schätzen, wenn der Text, den sie übersetzen, derart schön ist.
Literaturempfehlung:
Ploberger, F. (voraussichtliches Erscheinungsdatum 2021) Das Tantra der mündlichen Überlieferung der vier Tantras der Tibetischen Medizin, 1. Teil, Schiedlberg: Bacopa.
> Hier finden Sie Infos zu Dr. Florian Ploberger
Spezialist für Fachbücher aus Akupunktur, Traditioneller Chinesischer Medizin, Qigong, Naturheilverfahren, Homöopathie und Physiotherapie. Jährlich auf vielen, wichtigen Kongressen wie der TCM-Kongress in Rothenburg, dem ASA-Kongress und dem Tao-Kongress in Österreich vertreten. Seit Jahren Verlagsleiter eines Verlages für TCM, Akupunktur und Homöopathie.